LISA von LÜBECK: Visionäres Wunderwerk
Die „LISA von LÜBECK“ ist ein altes Handelsschiff, das binnen fünf Jahren neu erbaut wurde. Während eines Segeltörns lässt sich auf ihr das Flair der Hansezeit nachempfinden.
„LISA von LÜBECK“: Segelnde Sehenswürdigkeit aus der famosen Hansezeit
Unser schönes Lübeck hat wahrlich eine Menge Sehenswürdigkeiten zu bieten – man denke nur an das imposante Holstentor oder die pittoreske Petrikirche. Neulich habe ich mir ein weiteres lübisches Kultur-Highlight angesehen: die „LISA von LÜBECK“.
Bei der „LISA“ handelt es sich um ein Schiff im lübischen Hafen, genauer gesagt um ein Kraweel aus den Zeiten der Hanse. Der Begriff „Kraweel“ stammt vom portugiesischen Wort „Caravela“, das auf Deutsch auch als „Karavelle“ bekannt ist.
Der Liegeplatz des Schiffs befindet sich auf der Wallhalbinsel im Westen der Lübecker Altstadt. Vielleicht habt ihr die „LISA“ dort auch schon bewundert oder seid sogar mit ihr auf eine Tour gegangen? Mittlerweile weilt das prachtvolle Kraweel immerhin mehr als 15 Jahre in der Stadt. Die Kiellegung feiert Ende Juli 2019 sogar bereits den 20. Jahrestag.
„LISA von LÜBECK“: Die wichtigsten Daten und Fakten zum Schiff
Lasst mich euch zum Einstieg ein paar Daten und Details zum Schiff präsentieren, damit ihr direkt einen Überblick bekommt:
Daten und Termine
- Kiellegung: 31. Juli 1999,
- Stapellauf: 27. März 2004,
- Jungfernfahrt: April 2005,
- erster Auslandstörn: 14. April 2006 (Ziel: Danzig, Zwischenstopps in Stralsund und Kolberg),
- Liegeplatz: Lübecker Wallhalbinsel.
Technische Details
- Segelschiff mit zusätzlichem Dieselmotor,
- 3 Masten, 3 Segel,
- Maschinenleistung: 347 PS (255 kW),
- Höchstgeschwindigkeit: 8,5 kn (16 km/h),
- Länge: 35,9 m (Lüa) bzw. 30,12 m (Lpp),
- Breite: 9,3 m,
- Tiefgang: maximal 2,86 m,
- Verdrängung: 198 t,
- Fläche der Segel: 276 m².
Impressionen der LISA von LÜBECK vom Boden und aus der Luft
„LISA von LÜBECK“: Visionäres Projekt
Schon beim ersten Blick auf das Kraweelschiff merkt man: Es hat mittelalterlichen Charme. Das ist wenig verwunderlich, denn bei der „LISA“ handelt es sich um einen authentischen Nachbau eines der Handelsschiffe, welche im Mittelalter für die Hanse in See stachen. Mit Warengütern bepackt liefen diese dann in Richtung der Kontore aus. Das einzig offensichtlich Neumodische an dem Schiff ist der zusätzliche Dieselmotor, der es möglich macht, dass der Segler auch bei Windstille ganz schnell auf Touren kommt.
Die Idee, das Schiff zu rekonstruieren hatte die Lübecker Industriellenwitwe Lisa Dräger. Frau Dräger war im Jahre 1991 stark fasziniert vom Anblick der „UBENA von BREMEN“, einer nachgebauten „Bremer Kogge“, die Station im lübischen Hafen machte. Ursprünglich wurde sie aber bereits 1936 durch die Sichtung der „Lübecker Kogge“, die das olympische Feuer zu den Segelwettbewerben nach Kiel fuhr, stark inspiriert. Und so formierte sich in Frau Dräger die Vision, Lübeck wieder mit einem charismatischen Traditionsschiff auszustatten.
Der Werdegang der „LISA“: Von der Idee zum fertigen Schiff
Die Entstehungsgeschichte der „LISA von LÜBECK“ umfasst jede Menge Ideenreichtum, Enthusiasmus und Gemeinschaftssinn. Allerdings gab es bei der Realisierung des Projekts auch ein paar Probleme zu meistern. Doch lest selbst:
- 1991 kam also bereits die Idee auf, ein Kraweel nachzubauen.
Frau Dräger gelang es, weitere Menschen für ihre Idee zu faszinieren – aus ihrer Vision wurde ein konkretes Ziel. Als Träger fungierte fortan die Gesellschaft Weltkulturgut Hansestadt Lübeck (gemeinnützig) e.V., welche bis heutzutage Eigentümer des Schiffs ist.
Problematisch war, dass keine schriftlichen Pläne oder Aufzeichnungen der Kraweelschiffe aus der Hansezeit existieren. Statt präzisen Zeichnungen ließen sich nur zeitgenössische Bilder in Kirchen sowie Beschreibungen durch damalige Chronisten studieren. Ferner dienten zur Rekonstruktion zweckentfremdete Bauteile, die nach dem Abwracken für die Verwendung an Brunnenbauten und Bohlenwegen verwendet worden waren.
Um möglichst authentisch und profund arbeiten zu können, wurde zum Bau des Lübecker Kraweels ein wissenschaftlich-technischer Rat mit Fachleuten aus dem Schiffbau, der Schifffahrt und der Geschichte formiert. Nach siebenjährigen Forschungen war es schließlich soweit:
- 1998 präsentierte die Technische Universität Berlin (TU Berlin) einen Linienriss der äußeren Form eines Kraweel-Rumpfes.
- Im April 1999 kam es dann zur Gründung der Hanseschiff-Werft auf der Lübecker Wallhalbinsel.
Der Bau des Kraweels rückte also in greifbare Nähe. Es fehlte aber noch das notwendige Baumaterial. Hierzu wählte der Bootsbaumeister Heino Schmarje höchstpersönlich im Lübecker Stadtwald 170 Eichen im Alter zwischen 70 und 100 Jahren aus.
- Am 31. Juli 1999 kam es dann zur Kiellegung! Die Bauarbeiten konnten also beginnen.
Insgesamt fünf arbeitsreiche Jahre folgten. Zunächst wurde etwa das Spantgerüst des Schiffsrumpfs geformt und das Beplanken desselben mit 8 cm starkem Eichenholz bewältigt. Ferner wurden die Decks sowie die Kastelle (Aufbauten) formiert und mit Holz von Lärchen beplankt.
Die vielen Arbeiten schritten aufgrund der Mithilfe von insgesamt 350 Helfern zügig voran. Unter den Arbeitern befanden sich 240 junge Erwachsene aus einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM), die durch ältere arbeitslose Handwerker angeleitet wurden. Hinzu kamen diverse ehrenamtliche Helfer, die kräftig bei den gesamten Baumaßnahmen mit anpackten.
Zu guter Letzt mussten die 4170 m Nähte mit geteertem Hanf abgedichtet, also kalfatert werden. Doch ein Problem stellte sich der Vollendung des historischen Kraweels in den Weg: Noch bevor die Arbeiten an dem Schiff abgeschlossen werden konnten, wurde im März 2003 die ABM für beendet erklärt – und dadurch fiel mit einem Schlag eine Vielzahl der Arbeiter weg.
- Ende April 2003 stellte die städtische Beschäftigungsgesellschaft (g/a/b) 10 Arbeiter ab, die fortan am Weiterbau des Schiffs mithelfen konnten. Zudem fanden sich zahlreiche freiwillige Helfer, die zur Fertigstellung des Schiffs bei den abschließenden Baumaßnahmen mitwirkten.
So konnten die Arbeiter mit vereinten Kräften im Herbst desselben Jahres die Wurmhaut – also den Kupferblechbeschlag des Unterwasserschiffes – fertigstellen. Im Winter 2003/2004 nahmen sie den Ausbau des Maschinenraums, den Innenausbau des Kraweels sowie das Nähen von Segeln und Takelarbeiten in Angriff. Und da es sich um eine Segelfläche von 286 m² und ein Tauwerk von 4 km Länge handelt, hatten sie auch mit den letztgenannten Arbeiten noch alle Hände voll zu tun.
- Am 27. März 2004 wurde die „LISA von LÜBECK“ dann endlich zu Wasser gelassen. Natürlich erfolgte im Zuge dessen auch die Schiffstaufe durch ihre visionäre Initiatorin, Mäzenin und Namenspatin Lisa Dräger.
Die Daten der „LISA von LÜBECK“ beeindrucken:
- Sie ist fast 200 Tonnen schwer und misst stolze 35 m in der Länge. Ein Schwimmkran wuchtete die kolossale Konstruktion in die Trave.
In der Folge ging es so weiter:
- Am 01. Dezember 2004 war die „LISA“ dann das erste Mal unter Segeln zu sehen.
- Im April 2005 fand ihre Jungfernfahrt statt.
- Am 14. April 2005 unternahm das Schiff seinen ersten Auslandstörn: Es ging von Lübeck nach Danzig, wo in Hansezeiten ein Handelskontor zu finden war. Zwischenstopps gab es in Stralsund und Kolberg.
Weitere wissenswerte Anekdoten und Geschehnisse zur „LISA“
Wusstet ihr schon, dass der Volksmund ein Schiff immer noch gern als „Dampfer“ bezeichnet, obwohl diese Form des Antriebs überhaupt nicht mehr gewöhnlich ist? Ähnlich verhält es sich mit der Abgrenzung des Kraweels zur Kogge. Zwar handelt es sich bei der Kogge um ein etwas einfacheres Handelsschiff mit nur einem Mast, aber dennoch hat sich die „Kogge“ im Volksmund quasi als Synonym zum 3-mastigen, leistungsfähigeren „Kraweel“ eingefleischt. Dementsprechend kann es durchaus vorkommen, dass auch die „LISA von LÜBECK“ hier und da liebevoll so genannt wird.
Wenn es um das lübische Kraweel geht, sind überdies hinaus auch noch die folgenden Details interessant:
- Im Film „12 Meter ohne Kopf“ diente die „LISA“ als Kulisse.
Dabei handelt es sich um eine Abenteuer-Komödie aus dem Jahre 2009, die sich um das Leben des Piraten Klaus Störtebeker dreht.
- Am 23.06.2011 wurde die Stralsunder Brauerei „Störtebeker“, die unter anderem 2010 als beste Brauerei Europas aus dem internationalen Bierwettbewerb hervorging, Partner der „LISA“.
Das Lübecker Kraweel dient zudem auch als Modell für die neugestalteten „Störtebeker“-Bierflaschen. Außerdem ist es im Zuge des Seglarträffs möglich, auf dem Schiff an Bierverkostungen teilzunehmen.
Schäden an der „LISA“
Leider blieb die „LISA“ auch nicht vor Schäden gefeit. Die prägnantesten Vorfälle waren etwa:
- Im Sommer 2013 wurde sie auf einer Parade vor der niederländischen Insel Texel vom russischen Segelschulschiff „Sedov“ gerammt. Dabei erlitt das Vorderteil des Kraweels schwere Beschädigungen.
- 2015 erfolgte eine Kollision mit der Fähre „Transpaper“, wobei der Klüverbaum der „LISA“ brach.
- 2017 musste ein morscher Mast des Kraweels ausgetauscht werden.
„LISA von LÜBECK“: Schwimmende Sehenswürdigkeit mit Erlebnispotential
Das komplett neu erbaute Kraweel ist mehr als „nur“ eine der faszinierenden Sehenswürdigkeiten Lübecks. Es dient im Sommerhalbjahr auch als schwimmende Botschafterin der Hanse. Dann nämlich sticht die „LISA“ regelmäßig in See und bietet für Interessierte spannende Kurztouren an.
Wer auf ihr über das Meer segelt, fühlt sich dank der authentischen Bauten direkt in frühere Zeiten zurückversetzt und kann sich dabei von der Crew bewirten lassen. Wenn ihr die „LISA“ noch nicht selbst in Augenschein nehmen konntet, erhaltet ihr über Videos einen ersten Eindruck von der charismatischen Imposanz des fahrenden Schiffs.
Darüber hinaus ist es möglich, das Kraweel auch liegend zu buchen, etwa für Hochzeiten, Firmenfeiern und Geburtstage. Dabei kann man dann nicht nur das mittelalterliche Flair der Innenausstattung genießen, sondern hat auch einen faszinierenden Ausblick auf die illuminierte Altstadt Lübecks. – Weitere Informationen sowie die Fahrdaten mitsamt den freien Plätzen findet ihr im Terminkalender auf der offiziellen Website der „LISA“.
Meine Erfahrungen mit „LISA“: Gespräche mit der Crew
Kürzlich durfte ich mir selbst ein Bild von der „LISA von LÜBECK“ machen und fuhr bei einer Tour über die Havel mit. Dabei hatte ich zum einen die Möglichkeit, meine Eindrücke in zahlreichen Fotos festzuhalten. Zum anderen konnte ich auch diverse spannende Gespräche mit Mitgliedern der Crew führen.
Im Folgenden möchte ich euch weitere interessante Fragestellungen rund um das Thema „LISA“ sowie generell zum Dasein als Seefahrer präsentieren. Dabei lasse ich dann auch die Aussagen meiner Gesprächspartner mit einfließen.
Unterhaltung mit Kapitän Dieter Baars
Ich unterhielt mich unter anderem mit Dieter Baars, dem Kapitän der „LISA von LÜBECK“. Wir sprachen davon, dass er schon seit über 15 Jahren auf der „LISA“ mit von der Partie ist. Zuvor war er bis 1995 bei Hapag bzw. Hapag-Lloyd als Kapitän tätig gewesen. Später ging er in den Vorruhestand.
Heutzutage ist sein Alltag mit der „LISA“ jedoch alles anderes als ein fades Rentnerdasein. Er erzählte mir, dass er dank des Kraweels zu neuen Erfahrungen gekommen ist. So war er etwa in seinem damaligen Berufsalltag vorrangig weltweit unterwegs gewesen. Nur einmal befuhr er, der mit 16 Jahren als Seefahrer anfing, früher die Ostsee – und das ausgerechnet im Winter. Die Mission war, Futtermittel nach Dänemark zu transportieren. Damals konnte das Schiff nicht den Nord-Ostsee-Kanal passieren, sondern musste oben herum fahren. Baars erinnert sich noch lebhaft daran, wie der Hamburger Hafen vereist war und ein Eisbrecher für eine freie Fahrt sorgen musste.
Heutzutage kommt Dieter Baars dagegen öfter dazu, über die Ostsee zu fahren, da die „LISA“ in den Sommermonaten immer wieder auf Tour geht. Ich stellte dem Kapitän im Verlauf unserer Unterhaltung noch verschiedene Fragen. Diese möchte ich euch nun zusammen mit ein paar allgemeinen Informationen sowie weiteren persönlichen Fragestellungen zum Kapitän präsentieren.
Für welchen Zweck wurden die Kraweele früher verwendet?
Früher dienten die Schiffe als Handelsschiffe der Hanse. Die transportierten Waren wurden über die Handelsrouten in die Kontore gebracht. Von dort fuhr man mit den vor Ort erworbenen Austauschgütern zurück. Als Waren dienten zum Beispiel Wachs, Stockfisch, Getreide, Tuche und Gewürze.
Ende des 15. Jahrhunderts lösten die 3-mastigen, größeren Kraweele die kleineren 1-Mast-Koggen ab, die wegen ihrer kleineren Abmessungen und geringeren Tragfähigkeiten schlichtweg zu ineffizient für den sich immer mehr ausweitenden Warenhandel geworden waren. Beim Bau der Kraweele orientierte man sich an den Vorbildern aus dem Mittelmeerraum, wo die spezielle Schiffsform schon seit 4600 Jahren bekannt ist.
Wie groß ist bzw. war die Besatzung?
Heutzutage zählen laut Baars 17 Leute zur Besatzung des neu erbauten Lübecker Kraweels. Früher wären indes mitunter 40 bis 60 Männer nötig, je nach Einsatzgebiet und Gefahrenlage. Zu Verteidigungszwecken seien damals auch oft Soldaten mit an Bord gewesen.
Wie viele Leute braucht man für die Steuerung?
Baars erklärte mir, dass man etwa 6 bis 7 Personen für das Steuern mit Maschine brauche. Anders sähe es aus, wenn die Segel genutzt würden. Dann seien allein schon 13 Männer für das Hochziehen der Segel notwendig.
Wie wurde das Schiff verteidigt?
Damals waren zwar ein paar Kanonen an Bord vorhanden. Diese konnten jedoch nur mit Steinen geladen werden und hatten überdies hinaus keine Zielvorrichtung. Die Verteidigung war damit also nicht wirklich effektiv möglich. Da kein Kraweel je als Wrack geborgen wurde, lässt sich hierzu jedoch nicht viel mehr sagen.
Es ist aber wohl überliefert, dass die Verteidigung der Schiffe mit brennenden Pfeilen erfolgte. Um diese möglichst effektiv platzieren zu können, stiegen die Soldaten in die großen Körbe an den Masten empor. Die Verteidigungsplattformen waren so groß, dass darin sogar bis zu 10 Männer Platz fanden.
Wie lange waren die Hansefahrer im Kraweel unterwegs?
Die Handelsschiffe stachen laut Baars zu Hansezeiten zwischen drei und fünf Monate in See. Dadurch ließen sich nur ein bis zwei Reisen pro Jahr bestreiten. Aufgrund der widrigen Verhältnisse wurden keine Reisen im Winter durchgeführt.
Wann fand die erste Fahrt dieses Schiffstyps in der Ostsee statt?
Abgesehen von früheren Kraweelen aus dem Mittelmeerraum erfolgte der erste Einsatz dieses Schiffstyps in der Ostsee Ende des 15. Jahrhunderts. Es trug den Namen „Peter von Danzig“ und war von Frankreich in Richtung Danzig unterwegs.
Heutzutage gibt es Rettungswesten. Wie sah es früher aus: Gab es Beiboote?
Laut dem Kapitän ist über größere Beiboote nichts bekannt. Wenn dann gab es nur ein paar kleinere.
Haben sich die Schiffsbauer in ihren Konstruktionen „verewigt“?
Ich möchte auch wissen, ob die damaligen Schiffskonstrukteure ähnlich den heutigen Informatikern kleine Gimmicks in ihre Schiffe einbauten, mit denen man ihre „Handschrift“ identifizieren konnte. So etwas ist dem Kapitän jedoch nicht bekannt. Dies wäre auch schwer nachzuprüfen, da keine schriftlichen Aufzeichnungen oder Baupläne existieren.
Wie sieht es mit der Haltbarkeit eines Kraweels aus?
Gemäß den Ausführungen des Kapitäns war diese Schiffsform früher nicht lange haltbar, überdauerte höchstens zwei bis drei Jahre. Die kurze Haltbarkeit ist wohl zum einen auf Natureinflüsse wie das Wasser und die Witterung, zum anderen aber auch auf Piraterie zurückzuführen.
Kann man das Kraweel heutzutage wieder instand setzen?
Während die Schiffe in früheren Zeiten aufgrund von Verschleiß häufig nicht mehr zu retten waren, können sie heute durch rechtzeitige Ausbesserung bzw. Wartung wieder instand gesetzt werden. Auch die „LISA von LÜBECK“ unterzieht sich alle zwei bis drei Jahre dieser Prozedur. Dafür wird das Schiff nach Dänemark gefahren, wo es dann durch eine Werft gewartet wird.
Braucht man ein Patent, um das Kraweel steuern zu dürfen?
Auch für die „LISA“ ist natürlich ein reguläres Kapitänspatent von Nöten. Baars selbst besitzt laut eigener Aussage das große Patent für weltweite Fahrten als Kapitän, die er aufgrund seines persönlichen Status als Ruheständler alle fünf Jahre erneuern muss.
Warum ist das Schiff nicht bei der Kieler Woche dabei?
Laut Baars haben sich die Liegeplätze in den vorigen Jahren als zu schlecht herausgestellt. Man sei zwar eingeladen worden. Da sich aber trotz Zusagen nichts an den Bedingungen der Liegeplätze verbessert hätte und man auch nichts mehr vom Veranstalter hörte, habe man sich dann dafür entschieden, lieber die kleinen Touren in Lübeck zu fahren – zumal man damit Geld verdienen könne.
Welches Gericht isst der Kapitän am liebsten?
Er hat kein absolutes Lieblingsgericht, sondern isst alles, was ihm seine Gemahlin kredenzt, gerne auch Labskaus, wenn es „richtig gemacht“ ist.
War die Seekrankheit auch für ihn ein Problem?
Auch für den Kapitän sei der Seegang am Anfang seiner Karriere ein Problem gewesen. Mit der Zeit habe sich das aber gelegt. Sein ultimativer Tipp dagegen lautet: Essen bis nichts mehr rauskommt!
Stirbt der Beruf des Seemanns aus?
Tatsächlich sieht Baars das Berufsbild als gefährdet an. Dies ist seiner Auffassung nach verschiedenen Faktoren geschuldet: Einerseits sei man dabei weniger auf dem Wasser, als zuvor gedacht, da man viel Urlaub habe. Andererseits habe man während der Fahrten wenig Landgang.
In diesem Zusammenhang unterhalten wir uns auch noch über einige ruppige Umgangsformen auf See. So fiele die eine oder andere Äquatortaufe durchaus rustikal aus: Wer etwa nicht dazu bereit sei, sich mit Tabletten abfüllen und mit Wasser übergießen zu lassen, müsse eine Menge Bier sponsern.
Sind Stand-Up-Paddler und E-Boot-Fahrer ein Problem für die „LISA“?
Laut Kapitän gab es noch keine nennenswerten Vorfälle. Notfalls greife man dann zum Typhon.
Ehrenamtliche Mitarbeiter in Lübeck gesucht
Zudem unterhielt ich mich mit dem Kapitän über den Mangel an ehrenamtlichen Helfern. Dabei kam Interessantes zur Sprache:
Es fehle der „LISA von LÜBECK“ keinesfalls an Gästen. Vielmehr benötige sie Personal, das die Besucher in Empfang nehmen und bewirten sowie am Schiff diverse Arbeiten durchführen könne.
Demnach werden
- Nautiker,
- Experten für Maschinen,
- Elektriker/Elektroniker sowie
- generell „Nachwuchs“ zum Mitfahren, Segelsetzen, Zapfen und Kellnern
gesucht.
Gespräch mit einem einfachen Crewmitglied
Ich unterhielt mich auch noch mit einem weiteren Mitglied der Crew. Der Mann stieß durch Zufall zur „LISA“: Über den Schwiegervater seines Sohnes kam er mit dem Bau des Mastes in Kontakt und war sofort begeistert vom Projekt. Nun ist er bereits seit drei Jahren mit von der Partie. Er fühlt sich laut eigener Aussage sehr zufrieden in der Mitte der insgesamt 40 Crewmitglieder.
Zu seinen Aufgaben zählt unter anderem die Arbeit im Shop, das Vorbereiten von Fahrten, das Bedienen der Segel und Leinen, das Rausbringen von Pfänden beim An- und Ablegen, das Ausgeben von Rettungsringen, das Einhängen von Glocken und das Spülen des Decks.
Gespräch mit Christian, dem Quartiermeister
Ferner unterhielt ich mich mit dem Quartiermeister der „LISA“. Christian ist bereits sieben Jahre mit an Bord. Früher fuhr er 20 Jahre lang weltweit auf Segelyachten. Im Anschluss suchte er in der Tageszeitung nach einer Tätigkeit – und entdeckte den Nachwuchsaufruf für das Kraweel.
Er genießt die Zeit auf der „LISA“, selbst dann, wenn sich dort trinkfeste Besuchergruppen tummeln (die sich laut seiner Aussage stets gut zu benehmen wissen). Denn seiner Meinung nach ist die Arbeit auf dem Schiff „wie vom Arzt verordnet“, da man stets an der frischen Luft ist, sich geistig wie körperlich betätigt und zudem zahlreiche soziale Kontakte pflegt.
Was sind die Aufgaben eines Quartiermeisters?
Christian kümmert sich um die Buchungen der „LISA“, sowohl für die fahrenden als auch die liegenden Veranstaltungen. Er beantwortet eingehende Mails und plant Veranstaltungen sowie freie Fahrten.
Wann kommt die „LISA“ in den Genuss von Wartungsarbeiten?
Jeden Dienstag sei „Werfttag“. Dann werde gepinselt, ausgebessert, etc. Noch gründlichere Zuwendung bekäme das Kraweel alle zwei Jahre: Dann fahre man mit einem Teil der Crew in eine Traditionsschiffswerft nach Dänemark zur großen Trockenwartung.
Finanziell könne man sich das erlauben, weil sich die „LISA“ aufgrund der eigenen Einnahmen sowie durch Spenden und Mitgliedsbeiträge durchaus finanziere. Zwar erhalte sie keine Staatszuschüsse, dafür flössen aber regelmäßig Gelder von festen Sponsoren.
Sind die Touren auf der „LISA“ teuer?
Insbesondere die kürzeren Tages- bzw. Zweistundenfahrten sind laut Christian auch für Familien erschwinglich. Diese Art von Touren böte sie beispielsweise auf der Travemünder Woche an. – Die konkrete Preisliste mit allen wichtigen Terminen ist auf der Website der „LISA von LÜBECK“ einzusehen.
Welche Voraussetzungen muss man für die Mitarbeit auf der „LISA“ mitbringen?
Laut Christian steht vor allem der Arbeitswille im Vordergrund. Ansonsten sei es nicht so wichtig, aus welcher Branche man ursprünglich komme. Derzeit wären beispielsweise Personen aus der Luftfahrt sowie aus Elektro- und Installationsberufen auf dem Kraweel tätig. Lediglich der Kapitän müsse zwingend auch ausgebildeter Kapitän sein. Was aber jeder Mitarbeiter auf jeden Fall vorzuweisen habe, sei die Maschinisten-Lizenz für Traditionsschiffe.
Wie sieht es auf dem Kraweel unter Deck aus?
Dort befindet sich laut Aussage des Quartiermeisters ein ehemaliger Frachtraum, der heute als Schank- und Bewirtungsraum genutzt wird. Darin sind große Tafeln aus Naturholz zu bewundern. Auf Messingschildern sind überdies hinaus die Namen von Helfern festgehalten. Diese Tafeln finden sich auch an der Steuerbordseite sowie unter den Deckenbalken. An letzteren sind auch die Namen der Teilnehmer der ABM-Maßnahme auszumachen, die mit viel Tatkraft zur Fertigstellung der „LISA“ beitrugen. Von den rund 300 arbeitslosen Teilnehmern haben laut Christian mittlerweile etwa 150 Personen Arbeit gefunden.
Die „LISA“ hält jung: Mein Gespräch mit Hein Bärsch
Eine beeindruckende Unterhaltung führte ich mit Hein Bärsch, der mir interessante Einblicke in seine Biografie gewährte. Hein ist 91 Jahre alt und war dreimal verheiratet. Er hat alle seine ehemaligen Ehefrauen überlebt und merkte schmunzelnd an, dass diese ihn offenbar nicht oben im Himmel haben wollten – deshalb sei er so alt geworden. Er trägt markante Tätowierungen, die mehr als ein halbes Jahrhundert alt sind, und fährt noch immer Auto sowie Motorrad.
Was sind seine Aufgaben an Bord?
Er übernimmt laut eigener Aussagen die üblichen seemännischen Arbeiten wie das Spleißen.
Wie verlief seine Laufbahn?
Hein begann 1942 auf dem Schulschiff Kapitän Hildendorf als Berufsseemann. Er arbeitete sich schrittweise vom Decksjungen, Jungmann und Leichtmatrosen bis zum Matrosen hoch. Später arbeitete er dann auch noch als Bergungstaucher. Nach seiner Karriere auf dem Wasser war Hein laut eigener Aussage auch noch als Fernfahrer in den USA tätig.
Was sind seine prägnantesten Erlebnisse auf einem Schiff?
Früher sei vieles möglich gewesen. Damals habe man etwa mit der rechten Hand gesteuert, während man mit links noch ein Butterfass gestampft habe. Spannend wären auch die Viehtransporte auf verlängerten Vorpostenboote gewesen: Wenn zwischendurch Kühe gekalbt hätten, wäre man zur Stelle gewesen und hätte die Kleinen aufgepäppelt. So habe man später auch ein gutes Stück Fleisch zum Essen mit nach Hause nehmen können. Zudem seien früher Massenlogen Gang und Gäbe gewesen.
Alex: Der Student auf der „LISA“
Ein kurzes Gespräch führte ich auch noch mit Alex, dem Enkel des Kapitäns. Alex studiert eigentlich Posaune in Atlanta. Zwischenzeitig arbeitet er als Steuermann auf der „LISA“. Auf dem Schiff ist er unter anderem als Steuermann tätig. Zudem setzt er die Segel, übernimmt den Ausguck und kümmert sich um das Zuknüpfen der Leinen. Später möchte Alex Teil eines Symphonieorchesters sein.
„LISA von LÜBECK“: Aus einer visionären Idee wurde traumhafte Realität
Ihr seht also: Das neu erbaute Kraweel hält eine Menge Erlebnispotential bereit, versprüht viel Mittelalter-Flair und kann zudem spannende Gespräche eröffnen.
Als Fazit lässt sich dementsprechend resümieren: Mit der „LISA“ ist Lübeck innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte um eine Attraktion reicher geworden. Die fünf Jahre harte Arbeit haben sich gelohnt, denn das Kraweel bietet authentische Einblicke in frühere Zeiten und lässt den Besucher spüren, wie die Handelsleute während der Hansezeit reisten.
Doch damit die „LISA von LÜBECK“ noch möglichst lange erhalten bleibt, gilt es, sich ehrenamtlich für sie zu engagieren. Habt ihr Interesse an Schiffen, dem Wasser und der Hanse? Oder seid ihr einfach nur technikaffin und habt Spaß an der Gemeinschaft? Dann schaut doch einfach mal dort vorbei!